In der TSG-Chronik zum 100-jährigen Bestehen gibt es ein Mannschaftsbild, auf dem der junge Sebastian Geider genauso zu sehen ist wie der junge Uwe Gensheimer.
Sebastian Geider: Ja, wir haben noch zusammen gespielt.
Karlheinz Just: Ich habe damals den ersten Profi-Vertrag mit Uwe gemacht. Das war 2003, da war er 17 Jahre alt.
Uwes Laufbahn bei den Löwen deckt somit fast die gesamte Zeitspanne seit der Gründung der SG ab. Die war im Mai 2002…
Sebastian Geider: Ich war damals aktiv dabei, als Uwe sein erstes Spiel bei den Senioren in der Regionalliga, für die SG Kronau/Östringen II, gemacht hat.
Karlheinz Just: Und was war das Besondere dabei?
Sebastian Geider: Spiel-Abbruch! Der Gegner hatte so viele Zeitstrafen, dass am Ende nur noch der Torhüter auf dem Feld stand und somit der Anwurf nicht mehr ausgeführt werden konnte. Da hat natürlich die Halle getobt. Das war spannend. Da musste man gucken, dass wir heil in die Kabine kommen.
Moderierte Rivalität
Kommen wir auf die Fusion selbst zu sprechen, die sich in diesem Frühjahr und Sommer zum 20. Mal jährt. Eine Liebesheirat war es nicht zwischen TSG Kronau und TSV Baden Östringen…
Karlheinz Just: Von einer Liebesheirat kann man wirklich nicht sprechen. Es gab eine langjährige Rivalität zwischen den beiden Nachbarn. Damals nun spielten beide Handball-Teams in der Zweiten Liga, Östringen ein bisschen erfolgreicher als Kronau, und man stellte sich die Frage: Wie soll das auf Dauer weitergehen? Wir liegen nur acht Kilometer auseinander und so weiter. Da haben wir uns zusammengesetzt, der damalige Vorsitzende des Badischen Handball-Verbandes (BHV) Uli Belle hat das Ganze moderiert. Getroffen haben wir uns auf neutralem Boden in der BHV-Geschäftsstelle in Karlsruhe.
Sebastian Geider: Uli Belle war vorher Vorstand in Östringen gewesen.
Karlheinz Just: Genau. Es hatte immer mal wieder ein paar lose Gespräche zu dem Thema gegeben. So richtig ins Laufen gekommen ist es dann unter der Moderation von Uli Belle. Ganz ursprünglich wollte man nur den Senioren-Bereich zusammenführen, die Jugend bei den Stammvereinen belassen. Das hat man aber wieder verworfen, weil man ansonsten eben genau jene Durchlässigkeit nicht bekommen hätte, die man sich von der Fusion versprochen hat. So hat man sich für die Ausgliederung der kompletten Handball-Bereiche aus den Stammvereinen entschieden und die Zusammenführung in einer Spielgemeinschaft. Danach fing die eigentliche Arbeit an.
Was meinen Sie damit?
Karlheinz Just: Auf den Mitgliederversammlungen konnte man die Leute von der Fusion überzeugen, das hat ganz gut geklappt. Dann gingen aber die Fragen los: Wo wird gespielt? Wo trainiert die Jugend? All diese Dinge, die in der Praxis auf einen zukommen. Da gab es schon richtig Feuer von den Mitgliedern.
Da braucht es ein gewisses Fingerspitzengefühl…
Karlheinz Just: Durchhaltevermögen. Es war sicherlich nicht leicht damals. Letztendlich – nach 20 Jahren – gibt es die Rhein-Neckar Löwen und die SG Kronau/Östringen immer noch. Wenn es etwas gibt, was heute beklagt wird, dann ist es die Kameradschaft früherer Tage, die man ein wenig vermisst. Das liegt aber nicht in erster Linie an der SG, sondern daran, dass man in der Bundesliga spielt und ein Profi-Klub mit den höchsten Ansprüchen geworden ist. Das ist ganz einfach ein Produkt der Professionalisierung. Früher hat der Papa Handball gespielt, dann hat er irgendwann den Sohn mitgebracht, und das ging dann so weiter. Die Kontakte werden jetzt eher über die Drittliga-Mannschaft und die Jugend gepflegt bzw. innerhalb der Stammvereine in den einzelnen Abteilungen.
Sebastian Geider: Das mit der Kameradschaft ist ganz sicher zum einen durch die sportliche Entwicklung so gekommen, zum anderen mit den wechselnden Standorten. Zunächst hat man in Eppelheim gespielt, dann in Mannheim. Über diese Distanzen wird es zusätzlich schwerer, Kontakte zu pflegen. Im Übrigen sehe ich das wie Karlheinz: Das, was wir sportlich erreichen wollen, würde anders als auf dem eingeschlagenen Weg nicht gehen. Würde es jeder für sich versuchen, würde man wahrscheinlich in der Versenkung verschwinden.
Die SG Kronau/Östringen ist ja auch kein Unikat. Mittlerweile gibt es vermutlich sogar mehr Spielgemeinschaften als Einzelvereine…
Sebastian Geider: Ein großes Thema dabei ist Infrastruktur. Und Mitgliederzahlen. Viele Vereine haben in der Jugend nicht mehr genügend Spieler und Spielerinnen, um eine Mannschaft zusammenzukriegen. Wir als SG Kronau/Östringen haben eher das Problem, dass es früh in die Leistungsspitze geht und dann der Papa den Sohn nicht mehr aufstellen kann, weil es sportlich nicht reicht. Das klingt wie ein Luxusproblem, ist aber für uns in den Stammvereinen ein Problem, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Nach 20 Jahren SG Kronau/Östringen kann man dennoch sagen: Um den Erfolg zu erreichen, den wir erreicht haben, war die Fusion der einzige Weg.
Karlheinz Just: Man sieht es ja um uns herum. Da gibt es viele Handball-Traditionsstandorte, die bis zu einer gewissen Spielklasse kommen, es aber nicht mehr darüber hinausschaffen. Wir haben damals zum Beispiel klar angesprochen: Hier im Umfeld gibt es eine begrenzte Anzahl möglicher Sponsoren. Die hätte man sich ohne eine Fusion gegenseitig weggenommen. Und ohne genügend Sponsoren ist es einfach nicht möglich, es ganz nach oben zu schaffen. Zuletzt im Junioren-Bereich hat man ja gesehen, dass dies die richtige Entscheidung war.
Sebastian Geider: Wir hatten ja einige Final-Teilnahmen in jüngster Zeit, und immer hat der letzte Schritt gefehlt – manchmal wegen eines Tors. Jetzt hat es endlich geklappt mit den Meisterschaften in der A- und B-Jugend. Darüber sind wir sehr glücklich und sehr stolz auf unsere Jungs, auf die Trainer und alle, die im Hintergrund mitgewirkt haben. Dazu gehören auch alle aus dem Drittliga-Team, das ebenfalls Meister geworden ist.
Zum Jubiläum das erfolgreichste Junglöwen-Jahr aller Zeiten
Das Schöne dabei: Bei all diesen Erfolgen standen die Orte der beiden Stammvereine im Mittelpunkt, denn gespielt und gefeiert wurde in Kronau und Östringen. Die Hallen waren voll, zudem sind Fans, Freunde und Angehörige sogar bis nach Flensburg und Berlin mitgefahren. Das hat sich sicher auch schon fast nach Bundesliga angefühlt…
Karlheinz Just: Für Jugend-Spiele war das mit je 800 Zuschauern schon eine stolze Kulisse.
Sebastian Geider: Wir durften nur 800 Leute reinlassen. Sicher wären auch noch ein paar mehr gekommen. Aus Sicht der Stammvereine wäre eine mittelgroße Halle zwischen Kronau und Östringen optimal (lacht).
Karlheinz Just: Man muss aber auch sagen, dass die SAP Arena von Anfang an das Ziel war. Ihr Bau hatte bereits begonnen, als wir 2003 mit der SG das erste Mal in die Bundesliga aufgestiegen sind. Und anders wäre es auch nicht gegangen. Wenn man oben spielen will, braucht man eine große Halle.
Und man sieht ja auch, dass es funktioniert. Zuletzt beim Heimspiel gegen Kiel und vor der Corona-Zeit konnte man beobachten, wie diese Region hier um Kronau und Östringen bei jedem Heimspiel einmal komplett nach Mannheim zieht und wieder zurück…
Karlheinz Just: So ist es. Jetzt hoffen wir alle, dass es auch sportlich wieder nach oben geht.
Sebastian Geider: Klar, das bewegt die Fans. Wir werden immer wieder darauf angesprochen. Das Interesse ist nach wie vor groß.
Wir haben jetzt viel über die Vergangenheit gesprochen, ein bisschen über die Gegenwart. Was ist aus Eurer Perspektive der größte Wunsch für die Zukunft?
Sebastian Geider: Ich würde mir wünschen, dass es noch mehr Jungs aus der Jugend zu den Profis schaffen. Dadurch würde noch einmal mehr Identifikation geschaffen mit den Profis bzw. zwischen den Leuten hier vor Ort und der Bundesliga-Mannschaft.
Karlheinz Just: Dem kann ich mich nur anschließen. Das hätte zwei Effekte: Es würde helfen, noch mehr Talente für die Junglöwen zu akquirieren. Und es würde die Integrationskraft des gesamten Vereins erhöhen.